Romeo Arquint

Vom Sofa in den Sport-Olymp

Aspekte von Rollenspiel und Adventure in den Sport-Spielreihen NBA2K und Fifa

«You see, The Journey isn’t really a sports career mode at all. It’s a wolf (RPG) in sheep’s (sports game’s) clothing, and that’s why it’s the first career mode I’ve ever considered playing more than once.

‹But, Andy…›, I hear you ask. ‹RPG? Are you mad?›. The answer, of course is ‹yes, clearly›, but bear with me and you might just see a method to my madness.»[1]

 

Was Andy Manson von PCGamesN in seinem Artikel über den My Player/Career-Modus von FIFA 17: The Journey durchaus provokativ formulierte, verlangt nach einer genaueren Betrachtung. Machen Aspekte von Role-Playing Games (RPGs) in Sportspielen diese wirklich zu Wölfen im Schafspelz? Wird Sportspieler/innen hier tatsächlich ein Rollenspiel untergejubelt? Die Meinungen über die Existenz eines sogenannten «Sport-RPG»-Genres sind unterschiedlich, diffus und stark durch Eigenschaften des dargestellten Sports geprägt. Weil es keine klaren Definitionen von ‹Sport-RPGs› gibt[2], werden in der Diskussion oft auch Wrestling-, Boxing- und Racing-Spiele erwähnt, die sich im Gegensatz zu Mannschaftsportarten wie Fussball hauptsächlich durch die Tätigkeit eines einzelnen Avatars auszeichnen.

Dass nicht ein einzelner vorgegebener Avatar mitten auf dem Spielfeld die einzige Bezugsperson für die Spieler/innen ist, sondern dass dieser gestaltbar ist und mit Bedeutung aufgeladen wird, indem er ein Gesicht, einen Lebensweg, einen Handlungsspielraum sowie Emotionen erhält, ist neu für Sportspiele. Gerade solche Genrekombinationen oder Hybridisierungen, wie sie Benjamin Beil nennt, machen einen besonderen Reiz aus.[3]

Durch die Vielseitigkeit der verschiedenen Spielmodi benötigen die obengenannten Spiele ein Aushängeschild, einen Aufhänger, durch den sie sich mit einer klaren Botschaft vermarkten lassen. Diese RPG-Elemente werden bei den Sportspielen wie NBA2k17 oder Fifa 12 ausschliesslich bei den jeweiligen My Player/Career-Modi sichtbar. Im My Player/Career Modus sollen sich die Spieler/innen mithilfe der Gestaltung und Auswahl ihrer Avatare intensiv mit dem Inhalt und der Thematik des Spiels auseinandersetzen und dabei ihre Motivation zum Spielen hochhalten.[4] Äusserungen wie die Luke Georges von hardoregamer.com fassen die vorhandene Erwartungshaltung der Spielenden zusammen, wenn er als Fazit über das Erscheinungsbild von NBA2K13 festhält: «Demonstrating that opens the door for RPGs to more commonly move outside the realm of fantastical combat and into different settings.»[5]

Um der Verbindung der vorzustellenden Sportspiele und Rollenspielelemente auf die Spur zu kommen, wird erst eine theoretische Basis erarbeitet. Im Folgenden soll eine Definition des Genrebegriffs erarbeitet werden. Danach folgt die Erfassung der beiden für diese Arbeit als zentral erachteten Genres Role-Playing und Adventure. Hernach folgen Untersuchungskategorien und die eigentliche Analyse ausgewählter Sportspiele.

Der Genrebegriff bei Computerspielen

Wenn von Genres die Rede ist, so gilt es festzuhalten, was darunter verstanden wird. Eine grundsätzliche Definition populärkultureller Genres (frz. für Gattung oder Art) findet sich bei Eggo Müller:

«Genre […] bezeichnet […] Gruppen von Artefakten mit relativ ähnlichen Merkmalen, die im kulturellen Bewusstsein wie eine Familie als von gleicher Art, Gattung oder Abstammung betrachtet werden. Genres dienen in der kulturellen Welt als Orientierungspunkte für Produktions-, Distributions- und Rezeptionsprozessen.»[6]

Genres sollen also v. a. der Orientierung dienen. Dies ist bei Computerspielen eminent wichtig, bei denen häufig – wie beim Film – eher stereotype Auswahlkriterien wie Action, Abenteuer oder Romantik für die Systematisierung verwendet werden.[7] Beil sieht in seiner Einführung zur Thematik des Genrebegriffs in Computerspielen die Notwendigkeit einer Relativierung:

«So kann (oder vielmehr sollte) das eigentliche Ziel einer Genreanalyse gerade nicht eine eindeutige Kategorisierung eines Spiels sein – denn das würde  voraussetzen, dass Genres systematisch eindeutig bestimmbare und zudem historische feststehenden Konzepte wären.»[8]

Damit erteilt Beil der genretechnischen Eindeutigkeit eine Absage und betont gleichzeitig die Wandelbarkeit von Genres. Markant ist dabei die Genrehybridisierung, die sich bei etablierten Hauptgenres beobachten lässt und damit eine eindeutige Zuweisung, bspw. eines bestimmten Spiels in eine Kategorie, verunmöglicht.[9] In diesem Zusammenhang gilt es, die qualitativen Charakteristika dieser Erscheinungsformen zu erfassen und festzuhalten. Da aber eine Diskussion der vorliegenden Spiele nicht losgelöst von bereits historisch verorteten Genres auskommen kann, soll im Folgenden auf Role-Playing und Adventure eingegangen werden, was auch dem Verständnis der Problematik des Genre-Begriffs im Videospiel zuträglich sein wird.

Adventures – Digitale Heldenreisen

Die traditionellen Anfänge der Adventure Games gehen weit in das 19. Jahrhundert zurück und haben ihre Ursprünge in der Kartografie. Auf Basis dieser Vorgänger entwickelten sich in den 1970er Jahren, nachdem die ersten programmierfähigen Computer als Massenprodukt auf den Markt gekommen waren, erste Spiele, die sich durch Merkmale wie labyrinthartige Gänge und zu lösende Rätsel auszeichneten.[10] Als berühmtestes Beispiel sei auf das im Jahr 1975 von William Crowther programmierte Colossal Cave Adventure verwiesen.[11] In Kombination mit literarischen Textsorten wie dem Märchen oder dem Heldenepos entstanden in den Folgejahren die grafischen Adventures. Diese konnten sich aber erst mit der technischen Weiterentwicklung auf der visuellen Ebene in ein eigenes Gamegenre weiterentwickeln und erlebten ihre Blütezeit in den 1990er Jahren.[12]

So stellt der Versuch einer Definition des Adventure Games eine Herausforderung dar, was auch Clara Fernández-Vara zu Beginn ihres Artikels über die History of the Adventure Game Interface festhält: «The task of defining adventure games is a slippery one. Traditionally adventure games are associated with stories, since it allows players to progress through a narrative event structure.»[13] Zentral sind folglich die Narrative und das Fortschreiten in eben diesen. Zum Unterschied zwischen dem Computerspiel-Genre und dem literarischen Genre lässt sich Folgendes festhalten: «The video game genre is therefore defined by its gameplay, unlike the literary genre, which is defined by the subject it addresses, the activity of adventure.»[14] Anders als in Literatur und Film kommt also das Gameplay beim Adventure Game hinzu.[15] Diese oft als ‹statisch› bezeichnete Interaktivität – das heisst die Bewegungs- und Aktionsfreiheiten der Spieler/innen – ist begrenzt. Diesen Umstand gründet auf der Tatsache, dass ihr Ursprung in der Programmierung liegt, in deren Praxis möglichst einfache Übertragungswege für die Datenübermittlung gewählt wurden.[16] Dies liegt auch an der gewählten Overhead oder Third-Person Perspektive, die als wichtiges Element für die emotionale Involvierung mit einem Avatar fungiert.[17]

Die starke Narrativität der Adventure Games zeigt sich auch in den oft eingesetzten Cutscenes, die zwischen den spielbaren Abschnitten einsetzen sowie in der Interaktion des Avatars im Spiel mit anderen Figuren. Die Kommunikation verläuft oft über textbasierte Erzählformen wie Tagebücher, Comics und Schrifttafeln, wobei Interaktionsmöglichkeiten meist durch vorgegebene Tastenkombinationen ausgelöst werden können.

Ebenso ist die Ausdifferenzierung der Avatare im reinen Adventure Game im Gegensatz zu den Rollenspielen, wo die Entwicklung des Charakters im Zentrum steht, sehr gering. Sie müssen nicht speziell ausgestaltet werden, weil sich die Charaktere nach der strikten Handlung richten und als ‹Flat-Characters› oder ‹Puppets› inszeniert werden.[18] ‹Reine› Adventures sind jedoch selten, denn oft werden sie mit Elementen des Role-Playing verbunden. 

Role-Playing – Interaktivität und Bindung

Das Rollenspiel ist mit einer grossen Bandbreite von Begriffen verbunden. Einerseits wird der Begriff ‹Rollenspiel› verwendet, um die Nachahmung der gesellschaftlichen Rollen in der Entwicklung von Kindern zu umschreiben. Daneben findet er sich in unterhaltenden Formaten, wie dem Theater, der Oper, der Maskerade oder dem Karneval.[19] David Nikolas Schmidt beschreibt in seiner Untersuchung zu Pen-&-Papers-Rollenspielen den Begriff als «[…] eine Spielform, bei der von Teilnehmern Rollen mit spezifischen Eigenschaften übernommen werden»[20]. Dabei unterscheidet er zwischen freien und zweckgebundenen Rollenspielen. Innerhalb der freien Rollenspiele unterscheidet er wiederum zwischen spontanen und reglementierten Rollenspielen, zu denen er unter der Kategorie ‹Fantasy-Rollenspiele› auch Computerspiele aufführt. Doch übernimmt dort der Computer die Funktion des/der Spielleiters/in.[21] Auch Andrew Burn erkennt die Prävalenz von digitalen Rollenspielen zu Fantasy und Science Fiction, relativiert diese Beziehung aber:

«The idea of role-playing in digital games is inextricably linked to the genre of the role-playing game (RPG); though forms of dramatic action we could legitimately call role-play can be found in other genres of game and in virtual worlds.»[22]

Damit betont er, dass RPG nicht auf fantastische Welten beschränkt sein müssen. So zeichnen sich diese durch die für den Verlauf des Spiels wichtige Charakterentwicklung aus. Entstanden aus den Dungeon&Dragons-Spielen, womit wieder auf die Verbindung zu Pen-&-Paper verwiesen sei, und hauptsächlich im Genre des Wargame verhaftet, bezeichnet es eine Gesellschaftsspielform des frühen 20. Jahrhunderts, deren hauptsächlicher Inhalt sich um die Strategie der Kriegsführung drehte. Die Wurzeln reichen aber bis zu den ersten Kriegsspielen mit hölzernen Figuren im frühen 19. Jahrhundert zurück, mit denen Schlachten simuliert wurden und in erster Linie dem Adel zum Vergnügen dienten. Seit den 1970er Jahren finden sich immer mehr Rollenspiele in verschiedenen Medien, beeinflusst von den Fantasiewelten Tolkiens und den daraus entstandenen Weiterschreibungen in Literatur und Film, die sich auch gewaltlosen Spielwelten zuwenden.[23] Die Übertragung der nicht-digitalen Spiele (wie Pen-&-Paper oder Table-Top) in die digitale Welt fand nahezu nahtlos statt. Der Computer ersetzte dabei die realen Spielleiter/innen, freundliche und feindliche Figuren wurden durch Non-Player Characters (NPCs) ersetzt und Mitspieler/innen konnten nun auf der ganzen Welt gefunden werden. Der Weg war geebnet für Phänomene, wie den gigantischen Erfolg des Online Rollenspiels World of Warcraft (2004).[24]

Ein Rollenspiel benötigt also ein Narrativ, damit sich die Spieler/innen anhand eines roten Fadens zurechtfinden. Anderseits benötigt es ‹spielerische Aspekte›, um sich von den reinen narrativen Medien abzugrenzen. In digitaler Form verschmelzen nicht nur Erzählung und Simulation, es eröffnen sich auch neue Plattformen, die diese Verschmelzung permanent weiterentwickeln. Nebst der erwähnten Individualisierung können vordergründig der Einblick in die innere Welt des Avatars, der Erfahrungsgewinn sowie das Erreichen höherer Levels eine Verbindung zum Avatar formieren und den/die Spieler/in emotional in das Game involvieren. Dabei spielen für die Ausprägung der formierten Verbindung nebst den visuellen Effekten auch akustische und sensorische Variablen eine Rolle.[25] Den Sog von Interaktivität, Spiel und Narrativ fasst Marie-Laure Rayn in ihrem Buch Beyond Myth and Metaphor wie folgt:

«In this type of system interactivity must be intense, since we live our lives by constantly engaging with the world that surrounds us. The interaction between the user and the fictional world produces a new life, and consequently a new life-story, with every run of the system.»[26]

Rollenspiel bedeutet damit auch Bindung. Interaktivität und Bindung zeigen sich wiederum in der Gestaltung der Kommunikation mit NPCs oder echten Spielenden in Online-Spielen, die nicht mehr nur textbasiert, sondern direkt durch Sprache in Dialogform erfolgt. Die meist offen gestalteten Spielwelten, in denen Kampfszenen oder zufällig auftauchende Elemente gemäss Mela Kocher stochastischer seien als in Adventure Games – die bei mehrmaligen Durchspielen immer dieselben Resultate liefern, wenn dieselben Knopfkombinationen ausgelöst wurden –, runden die Merkmale eines Role-Playing Games ab.[27] Adventure und Role-Playing fügen sich also ungemein gut zusammen, was sich nicht zuletzt in der Faszination des gestaltbaren, wachsenden Avatars gründet.

Agent vs. Avatar

Was verstehen wir unter dem Begriff Avatar? Für Kocher ist es die Fokussierung auf den Avatar und dessen Entwicklung während des Spiels, die die Rollenspiele von den Adventure Games unterscheidet.[28] Rein etymologisch beschreibt der Avatar eine Veränderung der Gestalt eines Körpers in einen anderen, den man benötigt, um in eine andere Welt einzutreten.[29] Zach Waggoner hält es für eine genauere Definition notwendig, eine klare Unterscheidung zwischen Avataren und Agenten zu machen. Dazu führt er ein Zitat von Laetitia Wilson an:

«[An avatar is] a virtual, surrogate self that acts as a stand in for our real-space selves. That represents the user. The cyberspace avatar functions as a locus that is multifarious and polymorphous displaced from the facticity of our real-space selves…. Avatar spaces indisputably involve choice in the creation of one`s avatar; there is substantial scope in which to exercise choice and create meaning [within the video game].»[30]

Nach Wilson ist der entscheidende Unterschied derjenige, dass Avatare gestaltet und verändert werden können, Agenten jedoch schon vorprogrammierte unveränderliche und nur steuerbare Softwareprodukte seien.[31] So trifft man in Adventures also auf Agenten – oder wie bereits thematisiert: Flat-Characters oder Puppets – , kommt in Role-Playing Aventures aber in den Genuss von Avataren.

Auch der Journalist Klaus-Dieter Felsman vollzieht in Mein Avatar und ich diese Unterscheidung.[32] Bei Christoph Bareithers Dissertation über Gewalt in Computerspielen wird der interessante Aspekt der ‹Embodiment Relation› beschrieben.[33] Dabei verspüren die Spieler/innen während des Spielens physischen und psychischen Stress, der durch die eintretenden Aktionen ihres Avatars ausgelöst wird. Avatar und Spieler/in gehen also eine spürbare Bindung ein. Wichtig dabei ist einerseits die Gleichzeitigkeit der Erfahrungen, die sich in positiver Spannung oder positivem Stress äussern kann, die manchmal durch Schreckensmomente unterbrochen werden. Andererseits ist für die vorliegende Untersuchung die Verwendung von sammelbaren und aufrüstbaren Gegenständen von grosser Relevanz.[34] Damit ist das theoretische Fundament vollständig gelegt und wir begeben uns in die Welt des digitalen Sports.

My Player/Career Modus – Die Untersuchungskategorien

Im Folgenden wird anhand von selbstdefinierten Kategorien die Erstellung eines Avatars in den ausgewählten Basketball– und Fussballspielen erläutert. Wie in der Einleitung bereits erwähnt, liegt der Fokus auf dem My Player/Career Modus, weil sich dort eine intensive Auseinandersetzung der Spieler/innen mit ihrem Avatar ergibt. Das Hauptkriterium für die Auswahl der Sport-Spiele war die Voraussetzung, dass mit einem selbstgestalteten Avatar in einem vorhandenen MyPlayer/Career-Modus gespielt werden kann, der aber nicht bei allen Spielen so genannt wird (bspw. etwa ‹Street-Challenge› in NBA Street V3). Das zweite Kriterium war die Verfügbarkeit der Spiele als physisches Produkt, das heisst, als Spielhülle mit enthaltender Disk. Ein letztes Kriterium war die Spielplattform, die nach Consalvo wesentlich zum Verlauf sowie zur Mechanik des Spiels beitragen kann:

«Another challenge for analyzing videogame content is the constantly changing nature of the technologies and platforms available for games, which can profoundly shape the scope of the visuals, the audio, potential interactions with non-playable characters, as well as gameplay mechanics themselves. Thus, studying the first Final Fantasy game on the NES system is quite different from examining Final Fantasy XIII on Sony’s PlayStation 3.»[35]

Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurden nur Spiele berücksichtigt, die für PlayStation 4, PlayStation 3 und Nintendo Gamecube verfügbar waren. Zur Untersuchung der ausgewählten Spiele mit Fokus auf den genannten Modus, wandte ich die Methode der Game Analyse nach Aarseth an.[36] Aus der Analyse der spielerischen Möglichkeiten und der Spielerfahrung selbst, kristallisierten sich folgende sieben Kategorien heraus:

  1. Attribuierung
  2. Interaktivität (bestehend aus Frequenz, Range und Signifikanz)
  3. Perspektive (Point of View)
  4. ludische Aspekte
  5. narrative Aspekte
  6. die Verhaltensregulierung

Zuerst werden die einzelnen Kategorien erläutert, um diese anschliessend auf NBA2k17, NBA2K12, NBA Street V3, Fifa12 und Fifa06 anzuwenden. Die erste Kategorie bezeichnet die Attribuierung oder die Auswahl der grundsätzlichen Fähigkeiten und Eigenschaften des Avatars. Die Möglichkeiten der Attribuierung in Spielen mit gestaltbaren und veränderbaren Avataren sind entscheidende Faktoren für die Identifikation von Spieler/innen und der virtuellen Projektion.[37] Die Erscheinung des Avatars kann von den Spieler/innen durch die Eingabe individueller Kombinationen auf Punkteskalen oder in Abstufungen von Parametern gestaltet werden.

Die zweite Kategorie bezieht sich auf die Interaktivität der Avatare innerhalb des jeweiligen Spiels. Diese kann mit den von Brenda Laurel eingeführten Unterkategorien Frequenz, Range und Signifikanz beschrieben werden.[38] Die Frequenz beschreibt, wie oft und wann im Spielverlauf eine Befehlsmeldung via Steuerung eingegeben werden muss. Die Range verweist auf die Anzahl der Befehlsmöglichkeiten und ist in Role-Playing Games tendenziell höher als in Adventure Games. Die Signifikanz ist ein Mass für den Einfluss der eingegebenen Befehle auf den Spielverlauf. Diese drei Aspekte zusammen ergeben das Gesamtbild der Interaktivität eines Avatars und bilden damit ein weiteres Angebot für die Identifikation der Spieler/innen.[39]

Eine nächste Kategorie umfasst die Perspektive. Sie bringt das grösste Diskussionspotenzial für die Einschätzung der Höhe des Identifikationsangebotes eines virtuellen Avatars mit sich. Unter den Forscher/innen wurde besonders die First-Person oder Ego-Shooter-Perspektive mit der Third-Person oder Overhead-Perspektive verglichen. James Paul Gee fasst in seinem Aufsatz What Video Games have to teach us about Learning and Literacy zusammen:

«First-person mode feels closer to the character and allows you to identify tightly with [the avatar`s] situatedness in the world. Third-person mode allows you to see [the avatar`s] body, actions and reactions and identify with him from a thematic point of view, since you now have images to help with the identity play you are engaged in being [the avatar].»[40]

Nach Gee tragen beide Perspektiven zur Konstruktion einer emotionalen Involvierung bei. Nichtsdestotrotz muss dieser so genannte ‹Point of View› bei jedem Beispiel separat betrachtet werden, da Funktionalitäten nicht zuletzt in Genres und mit Blick auf den technischen Wandel variieren. Dies zeigt sich bspw. in Virtual Reality Games, die nur schwierig zu verorten sind.[41]

Die vierte Kategorie befasst sich mit den ludischen und die fünfte Kategorie mit den narrativen Aspekten. Der Gegensatz von Ludizität und Narrativität von Spielen ist in den Game Studies zur Genüge diskutiert worden.[42] Es sei deshalb nur festgehalten, dass sich Videospiele nicht einfach in eine der beiden Richtungen drängen lassen, sondern dass es darin zu Unmengen von Mischformen kommt. Die Dualität von Spielen betont auch Kocher, die sich bemüht, Adventure Games und Rollenspiele innerhalb dieser beiden Pole zu verorten.[43] Dementsprechend werden die hier vorgestellten Beispiele als ludische Regelwerke und Narrative betrachtet.

Die letzte Kategorie versucht ‹das Verhalten›, also Interaktionsmöglichkeiten des Avatars innerhalb der vorgegebenen Spielwelt, einzustufen. Dieses Modell der ‹Verhaltensregulierung› benutzt auch Jochen Venus in seinem Aufsatz über das ‹erlebte Handeln›.[44] Dabei unterteilt er diese in vier Untertypen: 1. Die Initiation, in der ein Avatar selbst einen Entschluss fasst und eine Handlung in Angriff nimmt; 2. die Konduktion, in der ein selbsttätiger Avatar nur abgelenkt, beziehungsweise gelenkt werden kann; 3. die Interruption, in der Zeitsprünge innerhalb der Spielwelt ein entscheidendes Merkmal sind; und 4. schlussendlich die Finilisation, was die Wiederherstellung der vom Spiel vorgesehenen Ordnung zum Ziel hat.[45] Diesen Kategorien werde ich im Folgenden anhand von Spielbezügen Leben einhauchen.

Let’s Play some Basketball!

In NBA2k17 (PlayStation 4, 2016) und NBA2k12 (PlayStation 3, 2012) beginnen die Spieler/innen mit der Charaktererstellung durch die Auswahl ihrer Rolle. Die Auswahl ist beschränkt auf männliche Charaktere. Dafür stehen fünf ‹Positionen› vom Point Guard bis zum Center zur Verfügung. Diese Wahl der sogenannten ‹Archetypen›, das heisst, der festgelegten und ursprünglichen Charakterausrichtung des Avatars, prägt den gesamten Spieleverlauf. So wird man mit dem Archetyp ‹Center› grundsätzlich nicht in der Lage sein, der/die beste Spielmacher/in bzw. Dribbler/in zu werden. Eine erste Besonderheit von NBA2k17 ist es, dass im Gegensatz zu NBA2k12 die weitere Attribuierung dieser Grundeinstellungen für Werfen, Passen oder Blocken nicht möglich ist. Diese Werte können im Spielverlauf nur durch Trainings, durch das Kaufen von ‹Boosts› (Verbesserungen) mit verdienter Spielwährung oder durch das Erhalten von Plaketten innerhalb von Matches verbessert werden. Wenn bspw. die Spieler/innen in 20 Spielen jedes Mal fünf Würfe des Gegners blocken, verdienen sie eine Plakette, die ihren Blockwert verbessert.

Abb.1: Die gesammelten Plaketten (unten rechts) erhöhen in NBA2k17, die hier in Gelb angezeigten Statuswerte. Oben die archetypische Bezeichnung ‹Spielmacher›

Beide Spiele fokussieren zu Beginn stark auf die äusserliche Charaktererstellung. Mit genausten Feineinstellungen lassen sich Ohren, Nasen und sogar Hautirritationen bestimmen. Somit verfügt der Modus über eine riesige Palette an Befehlen, die bspw. bei NBA2k17 durch die Verbindung zu einem Server ständig erweitert und angepasst werden.

Abb. 2 und 3: Die Ausrüstungsmenus für die Spielausrüstung in NBA2k17 (oben) und NBA2k12 (unten)

Daneben ist es bei der NBA2K-Spielreihe erstmals möglich, das eigene Gesicht per Mobiltelefon-App zu scannen und diesen ‹Selbst-Scan› in das Spiel zu transferieren. Weiter können noch Details wie Haare, Kleidung, Tattoos oder die Bewegungsabläufe auf dem Feld ausgewählt werden. Der Avatar kann also ganz nach individuellen Vorlieben gestaltet werden, was der Identifikation zuträglich ist.

Die Interaktionsmöglichkeiten sind in NBA2k17 sehr vielseitig. Statt mit einem einfachen Auswahlmenu – wie im fünf Jahre älteren NBA2k12 – beginnen die Spieler/innen bei jedem Spielstart im virtuellen Zuhause des Avatars, in dem man sich frei bewegen kann und auch Interaktionsmöglichkeiten mit Objekten bietet. Der Avatar dient nicht nur dem Sportspiel, sondern wird auch als Privatperson inszeniert.

Abb. 4: Das virtuelle Zuhause des Avatars in NBA2k17: eine grosse Garage mit Basketballplatz

Die Frequenz ist im Spiel innerhalb der Matches sehr hoch, da der Avatar in jeder Spielsituation eine Aktion vollziehen kann, wie bspw. einen Spielzug anzusagen oder in der Verteidigung seinen Gegnern den Weg zu versperren. Auch die Range ist innerhalb der Matches extrem hoch, da es unzählige Kombinationsmöglichkeiten gibt, einen Korb zu erzielen. Zudem werden die Möglichkeiten durch das Sammeln von Plaketten oder dem Kaufen von Boosts zahlreicher und einfacher, was wiederum die Range erweitert.

Die Signifikanz, also die Grössenangabe für die Stärke der Einflussnahme der Spieler/innen auf den Spielverlauf durch ihre Aktivitäten, zeigt sich am stärksten in den integrierten Online-Modi innerhalb des My Player/Career-Modus. Dort kann der Avatar gegen andere Spieler antreten. Da in diesen Spielen nur reale Spieler/innen und keine NPCs vertreten sind, ist die Einflussnahme auf das Spielgeschehen grösser als in den Matches im Offline My Player/Career-Modus. Somit entwickeln sich andere Geschichten oder Abläufe, während die Spiele im Karrieremodus stärker einem vordefinierten Plot folgen. Der/die Spieler/in ist aber nur ‹so gut›, wie er/sie auch im My Player/Career-Modus spielt, was bedeutet, dass die Anstrengungen sich zu verbessern auch ihren Einfluss auf die anderen Modi haben. Bei NBA2k12 existiert kein solcher Online-Modus.

Die Ansicht beschränkt sich in beiden Spielen durchgehend auf eine Third-Person Perspektive. Obwohl innerhalb der Matches Kameraeinstellungen möglich sind, die eine First-Person Perspektive simulieren sollen, wirken sie sich nicht stark auf die wahrnehmbare Immersion aus. Eine wirkliche First-Person Perspektive existiert in beiden Spielen nicht. Für die emotionale Involvierung spielen aber die bei spektakulären Spielzügen oder Auszeiten eingesetzten Cutscenes eine wichtige Rolle. Rasante Kamerafahrten und Wiederholungen in Zeitlupe verdichten dieses Momentum, lenken die Aufmerksamkeit der Spieler/innen und verleihen dem Basketball-Alltag damit eine cineastische Opulenz.

Abb. 5 und 6: Zwei Beispiele der Third-Person Perspektive in einem NBA-Match im My Player/Career Modus von NBA2k17 und NBA2k12

Die ludischen Aspekte sind in beiden Spielen einem klaren narrativen Muster unterworfen. Dieses narrative Muster beginnt in NBA2k17 bereits im College und begleitet den Avatar auf seiner Reise durch die NBA-Karriere mit dem folgenden Draft[46], einer Veranstaltung, in der die Mannschaften der Profiliga die besten Nachwuchstalente auswählen, über die Vorsaison und die Saison bis in die entscheidenden Playoffs und das Playoff-Finale. In NBA2k12 startet die Karriere erst nach dem Draft. Die grundsätzliche Geschichte in den Spielen der 2K-Reihe dreht sich immer um ein aufstrebendes Basketballtalent, das neben dem sportlichen Alltag der Liga ebenfalls mit den Schattenseiten eines Sportlerlebens konfrontiert wird. Das Narrativ ist also mehr als nur eine Ausschmückung, sondern bildet den Rahmen für die ludischen Möglichkeiten der Spieler/innen. So liegt bspw. die Wahl, ob die Trainings zwischen den Matches absolviert werden, bei den Spieler/innen, ein Ausfall des Trainings steht dem Spielverlauf nicht entgegen. Diese Muster erinnern stark an die Heldenreise klassischer Abenteuergeschichten. Es finden sich der Held (der selbsterstellte Avatar), der Begleiter (der befreundete Spieler, der mit einem zum selben Team ‹gedraftet› wurde), der Mentor (der Assistenzcoach) und die Gegenspieler (als eine Art von ‹Bösewichten›). Zudem symbolisieren das voranschreiten der Karriere sowie das Erreichen und Sammeln von Titeln und Auszeichnungen die Suche nach den ursprünglich mystischen Artefakten.[47]

Vom Wunderkind zum XXL-Basketballer

Das dritte hier betrachtete Basketballspiel ist NBA Street V3 (Nintendo Gamecube, 2005) und hat einen anderen Spielaufbau als die der 2K-Spielereihe. Es besitzt ebenfalls einen RP-lastigen Modus, der zwar nicht explizit My Player/Career genannt wird, aber dieselben Spielelemente beinhaltet und ebenfalls mit einer Ausgestaltung der Avatare beginnt. Die Besonderheit besteht in der relativ grossen Entscheidungsfreiheit seitens Spieler/innen. So kann nicht nur das Geschlecht gewählt werden, sondern steht es den Spieler/innen offen, entweder als Erwachsener oder als Kind zu spielen. Die sechs auswählbaren Archetypen geben – wie bei den 2K-Spielen – gewisse Tendenzen für den Spielverlauf vor. Die Palette der Befehle ist eingeschränkter, aber dem Basketballumfeld ‹angepasst›. So umfassen sie Tattoos, Schmuck, Accessoires für die körperliche Gestaltung des Avatars sowie die Justierung der Statuswerte durch das Einsetzten der verdienten Spielwährung.

Abb. 7: Die Auswahl der männlichen Archetypen in NBA Street V3. Man beachte die Auswahlmöglichkeit Wunderkind

Die Interaktivität des Spiels stützt sich neben dem My Player/Career-Modus vor allem auf den Modus ‹Dunk-Contest› und der möglichen Gestaltung eines eigenen Spielfelds. Die Range innerhalb der Matches ist ähnlich wie bei den 2K-Spielen, da es sich um dasselbe Prinzip handelt. Jedoch ist sie durch das sogenannte Trickbuch, in dem alle möglichen Dribbel-, Wurf- und Passkombinationen vorgeschrieben sind, wesentlich eingeschränkter.

Abb. 8: Das Trickbuch in NBA Street V3, wo Spielzüge unterschiedlichster Art freigeschaltet werden können

Die Reihenfolge, in der die Spieler/innen diese Kombinationen eingeben, ist individuell. Doch was damit erreicht werden kann, ist vom Spiel vorprogrammiert, was die Range kleiner macht. Die Frequenz ist analog zu den 2K-Spielen in den Matches sehr hoch, da die Spieler/innen permanent zur Eingabe von Befehlen ermuntert werden, um Körbe zu erzielen. Die Signifikanz ist bei NBA Street V3 insofern geringer, als es wie NBA2K12 keinen Online-Modus im Karrieremodus besitzt und daher keine Matches gegen reale Gegner/innen übers Internet gespielt werden können.

Der hauptsächliche Einfluss auf den Spielverlauf bleibt auf die Matches innerhalb des My Player/Career-Modus und auf die Herausforderungs-Modi – wie der erwähnte Dunk-Contest – beschränkt. Die Perspektive ist in NBA Street V3 statischer als bei NBA2k17 und NBA2K12. Die Kameraeinstellungen zeigen das Geschehen in verschiedenen Third-Person Perspektiven, jedoch fahren sie nicht so nah heran, dass ein Vergleich mit der First-Person Perspektive fällig werden würde. Der spärliche Einsatz von Cutscenes, die sich nur auf kurze Einspielungen von spektakulären Szenen beschränken, ist der emotionalen Involvierung nicht überaus zuträglich.

Die Mischung der ludischen und narrativen Aspekte zeigt sich bei NBA Street V3 in direkt umgekehrter Hierarchie wie bspw. bei NBA2K17 und NBA2K12, denn die Geschichte entwickelt sich nach der Abfolge und Art der Matches, die absolviert werden. Werden lieber Turniere oder normale Matches gespielt, entwickelt sich der Avatar langsamer weiter, als wenn sich die Spieler/innen für ausgefallene Trickpunkte-Challenges oder Rivalen-Duelle entscheiden. So lässt sich eine eigene Hintergrundgeschichte schreiben, die sich, je nach gewählter Spielform, am Ende anders präsentiert.

Das Handeln des Avatars in NBA Street V3 ist in den Matches stark im Bereich der Konduktion angesiedelt, da auch hier der Spielfluss unabhängig vom gesteuerten Avatar abläuft und dieser grösstenteils in den Bahnen des Spielfeldes gelenkt werden kann. Ausserhalb der Matches ist es den Spieler/innen nur per Auswahlmenü mit Textfeldern möglich, die Befehle einzugeben. Eine Handlung nach dem Schema der Initiation ist beim Avatar nicht ersichtlich oder lässt sich grob gesagt nur auf die Spieler/innen übertragen, die für den Avatar die Handlung des Auswählens übernehmen. Mit diesen Analysen verlassen wir das Basketballfeld und betreten die Fussballarena.

Karriere zwischen Teppichetage und Trainerliebling

Fifa12 (PlayStation 3, 2012) und Fifa06 (Nintendo Gamecube, 2006), sind neben der 2K-Spielreihe, die sich thematisch vor allem auf die nordamerikanischen Basketball-Profiligen konzentriert, die zweite grosse Sport-Spiel-Franchise. Durch stets aktuelle Kader der Clubmannschaften aller Fussball-Ligen der Welt können eingefleischte Fans ihr virtuelles Team zur Meisterschaft führen.[48]

Wie bei den Basketballspielen liegt der Fokus der Betrachtung auch in diesem Abschnitt auf dem My Player/Career-Modus. Die Charaktererstellung in Fifa12 startet mit der Auswahl von Archetypen. Die Spieler/innen können zwischen drei Möglichkeiten wählen: den Managern, den Spielertrainern oder den Spielern auf dem Feld. Nur bei der dritten Auswahlmöglichkeit können die Spieler/innen einen Avatar mit körperlichen und äusserlichen Attributen individualisieren. Die Entscheidungsmöglichkeiten bezüglich Kader, Aufstellung und allgemeiner Ausrichtung des Vereins sind nicht mehr freigeschaltet, stattdessen sind sämtliche Funktionen auf die Entwicklung des Spielers fokussiert. Vorher muss der Avatar aber einem Team hinzugefügt worden sein. Die Palette der Aktionen der Charaktererstellung ist bei beiden Fifa-Spielen gross und reicht bei Fifa06 vom Aussehen, über Spielstile sowie primäre und sekundäre Attribute und bei Fifa12 bis zu Accessoires und einzeln einstellbaren Attributkategorien wie Defensive, Offensive oder Mentalität.

Abb. 9: Die Wahl der Archetypen in Fifa12

Abb. 10: Die Charaktererstellung in Fifa06

Abb. 11: Charaktererstellung in Fifa12

Die Interaktivität, die sich mit den drei Unterkategorien Frequenz, Range und Signifikanz beschreiben lässt, stimmt mit den Basketballspielen der NBA2K-Reihe überein. So ist die Frequenz in den einzelnen Matches sehr hoch, da die Spieler/innen permanent dazu aufgefordert werden, den Ball zu passen, was eine hohe Zahl an Betätigung des entsprechenden Knopfes erfordert. Die Frequenz ist deutlich geringer, da die Mitspielenden aus NPCs bestehen. Dieser Beobachtung schliesst sich auch die Ausrichtung der Range an: Je mehr Avatare gesteuert werden können, desto mehr Befehlsmöglichkeiten existieren für die Spieler/innen. Die Signifikanz ist bei beiden ausgewählten Beispielen – genauso wie bei NBA2K12 und NBA Street V3 – geringer, da kein Online-Modus innerhalb des Karrieremodus existiert. Dies bezieht sich in erster Linie auf die freie Mitbestimmung der Spieler/innen bezüglich der Gestaltung des Spielverlaufs. Dieser wird daher über die Leistung innerhalb der Matches gestaltet.[49] Die Perspektive der Spiele ist in der Third-Person gehalten. Ähnlich wie bei den Basketballspielen lassen sich unterschiedliche Kamera-Perspektiven auswählen, die je nach Fokussierung die emotionale Involvierung der Spieler/innen beeinflussen können. Der Einsatz von Cutscenes bei Regelverstössen, Auswechslungen oder erfolgreichen Torschüssen verstärkt diesen Eindruck noch zusätzlich.

Die ludischen Aspekte – nebst dem Spielen von Matches – variieren bei Fifa12 stark durch die Auswahl der ersten Archetypen, den Managern, den Spielertrainern oder den Spielern. Haben die Spieler/innen als reine Akteure auf dem Feld nur die Möglichkeit, Matches zu spielen, um sich damit bei den Attributen zu verbessern, so können sie als Spielertrainer oder Manager das Kader verwalten, Transfers tätigen, die Finanzen verwalten und Jugendspieler auf der ganzen Welt scouten und weiterentwickeln. In Fifa06, in dem die Spieler/innen nur als Manager im Karrieremodus agieren, sind nebst diesen Möglichkeiten noch die Gestaltung des Stadions und die Aufwertung des internen Personals wie Stadionmanager, Angriffstrainer oder Talentsucher möglich. Somit können die ludischen Aspekte beim My Player/Career-Modus in Fifa12 stärker auf die Involvierung der Spieler/innen einwirken.

Abb. 12: Das Auswahlmenu für die Verbesserung des Team-Personals in Fifa06

Die narrativen Aspekte unterscheiden sich hingegen weniger stark in Abhängigkeit der Archetypen. In jeder Beziehung haben die Spieler/innen eine vorgesetzte Instanz, sei es als Spieler, der dem Trainer unterstellt ist oder als Manager, der den Geschäftsvorstand über sich hat. Darum ist das Ziel des Spiels, ein möglichst gutes Verhältnis gegenüber diesen Instanzen aufzubauen und dabei der Beste innerhalb der ausgewählten Liga zu sein. Dieser Grad wird bspw. in Fifa12 im Karrieremodus durch eine Skala von eins bis zehn angegeben. Die jeweilige ‹Note› nach einem Match macht den Avatar wertvoller und ermöglicht eine bessere Attribuierung. Als Manager sollten die Spieler/innen die vorgegebenen Aufgaben des Vorstandes einhalten, also bspw. Saisonziele wie Meistertitel oder Cupsiege erzielen und das vorgegebene Transferbudget nicht überschreiten. Ein Nicht-Einhalten dieser Punkte kann zur Entlassung führen.

Blicken wir zum Schluss – wie bei den Basketballspielen – auf die Art des Handelns der Avatare in den beiden Fifa-Spielen. Da auch hier, wie bei NBA Street V3, die ‹Basis› des Avatars nur ein Auswahlmenü, mit der Möglichkeit einzelne Tage anzuwählen und die Spieler/innen ihren Avatar nur in den Matches steuern können (Manager oder Spielertrainer steuern alle elf Spieler), ist eine Handlung im Bereich der Initiation nicht ersichtlich. Diese wird von den Spieler/innen wieder im Hintergrund durchgeführt. Bei den Matches befinden sich die Fussballspiele klar im Bereich der Konduktion, da der Spielfluss sich unabhängig der Tätigkeiten des Avatars weiterentwickelt. Lenkungen sind nur durch Timeouts, Regelverstösse und Auswechslungen möglich. Der Spielverlauf tritt als verkürzte fiktionale Zeit auf und gestaltet die Handlungen des Avatars dadurch mit. Je mehr vorgespult wird, desto weniger Interaktionen sind für die Spieler/innen möglich. In diesen Beobachtungen lassen sich klare Verbindungslinien aber auch Unterschiede der untersuchten Sport-Spielreihen erkennen, die abschliessend zusammengefasst und weitergedacht werden sollen.

Vom Sofa in den Sport-Olymp

Gibt es in den Sportspielen zu Beginn viel Neues zu entdecken, nistet sich meist nach einer gespielten Saison die Routine ein und der spielerische Aspekt wiederholt sich auf dieselbe Weise immer und immer wieder. Bestes Beispiel dafür sind die Trainingssequenzen, in NBA2k17 und NBA2K12 sowie Fifa 12 und Fifa06, die nach dem gleichen Muster (drei vorgegebene Trainingseinheiten, danach eine beschränkte Wahl einzelner Unterkategorien wie Wurf- oder Krafttraining) absolviert werden müssen. Die betrachteten Spiele zeigen aber Wege auf, wie durch Genre-Hybridisierung der potenziellen Langeweile in der Routine entgegengewirkt werden kann.

Im vorliegenden Artikel konnten die vorhandenen, aber teilweise nur schwer sichtbaren, Role-Playing- und Adventure-Elemente, insbesondere des My Player/Career-Modus, der hier behandelten Sportspiele aufgezeigt werden. Gerade die gestaltbaren Avatare und die angebotenen Narrative sind eindeutige Indikatoren. Die emotionale Involvierung der Spieler/innen spiegelt sich in den beschriebenen Spielen in der detaillierten Ausgestaltung des eigenen Avatars wieder. Was durch den starren narrativen Rahmen an Spielvariation eingebüsst wird, wird durch die immense Anzahl an feinen Einstellungen an Körper, Kleidung und Bewegungsmustern des Avatars ausgeglichen. Je nach Wahl des Archetyps, der Wahl der Position, etwa als Sportler/in auf dem Feld oder als Spielertrainer/Manager an der Seitenlinie, können die Spieler/innen im My Player/Career-Modus ihre ganz persönliche Karriere ausgestalten. Die Gestaltung und Verbesserungsmöglichkeiten des Avatars (durch Erfahrungspunkte sowie dem Kaufen von Ausrüstungsgegenständen), die Third-Person Perspektive mit ihren Cutscenes und hohem Tempo und das Messen mit Gegnern durch als Matches geführte Kämpfe sind RPG-Elemente par excellence.

Ausser bei NBA Street V3, sind die ludischen Aspekte in sämtlichen der untersuchten Spielen in einen narrativen Rahmen eingebettet. Dabei wird die reale Sportwelt zum fiktionalen Narrativ umgedeutet, das zugleich in die Sportspiele hineinfliesst. Die Sportler-Karriere wird zum Adventure. Die Genre-Hybridisierung in Richtung Adventure zeigt sich im My Player/Career-Modus deutlich anhand der Bandbreite der Hintergrundgeschichten, wie etwa vom Wunderkind zum Superstar. Diese Narrative verlaufen nicht mehr nur im Bereich des sportlichen Alltags, sondern leuchten zunehmend die ‹privaten› Seiten der Avatare aus. Bildgewaltige Dramatik und konzentrierte Spannung können die emotionale Involvierung der Spieler/innen stark fördern. Diese Ausführungen belegen die spannende Genre-Hybridisierung im Bereich der untersuchten Sport-Spiele. Diese Hybridisierung ist durchaus subversiv und somit kann Mason zugestimmt werden, wenn er sagt: «It’s a wolf (RPG) in sheep’s (sports game’s) clothing.»[50] Dies bedeutet jedoch nicht, dass jedes Sportspiel Elemente von Rollenspiel oder Adventure aufweist. Doch in den vorgestellten Spielen wird es Spieler/innen vom Sofa aus ermöglicht, mit ihrem Avatar den Sport-Olymp zu erklimmen.

Quellenverzeichnis 

Gamographie

  • Fifa 06. Electronic Arts (Nintendo Gamecube 2005).
  • Fifa 12. EA Sports (PlayStation 3 2011).
  • NBA2k12. Take-Two Interactive Software, Inc. (PlayStation 3 2011).
  • NBA2k17. Take-Two Interactive Software, Inc. (PlayStation 4 2016).
  • NBA Street V3. EA Sports BIG (Nintendo Gamecube 2005).

Sekundärliteratur

  • Burn, Andrew: Role-playing. In: Wolf, Mark J.P. und Bernard, Perron (Hg.): The Routledge companion to Video Game Studies. New York, NY: Routledge, 2014, 241–250.
  • Bareither, Christoph: Gewalt im Computerspiel. Facetten eines Vergnügens. Bielefeld: transcript, 2016.
  • Beil, Benjamin: Game Studies – eine Einführung. Münster: LIT-Verlag, 2013.
  • Beil, Benjamin: Game Studies und Genretheorie. In: Sachs-Hombach, Klaus und Thon, Jan-Noël: Game Studies. Aktuelle Ansätze der Computerspielforschung. Köln: Salem, 2015, 29–69.
  • Consalvo, Mia: Videogame Content. Game, Text, or Something Else? In: The International Encyclopedia of Media Studies, 2012, S. 406–425 (http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/9781444361506.wbiems075/abstract,  abgerufen: 13.05.2017).
  • Felsmann, Klaus-Dieter: Mein Avatar und ich: Die Interaktion von Realität und Virtualität in der Mediengesellschaft. München: Kopaed, 2011.
  • Fernández-Vara, Clara: Shaping Player Experience in Adventure Games: History of the Adventure Game Interface. In: Extending Experiences: Structure, Analysis and Design of Computer Game Player Experience. Edited by Olli Leino, Hanna Wirman, Amyris Fernandez. Rovaniemi: Lapland University Press, 2008, 210–227.
  • Kocher, Mela: Folge dem Pixelkaninchen! Ästhetik und Narrativität digitaler Spiele. Zürich: Chronos, 2007.
  • Müller, Eggo: Genre. In: Hügel, Hans-Otto (Hg.): Handbuch Populäre Kultur. Begriffe, Theorien, Diskussionen. Stuttgart-Weimar: J.B Metzler, 2003, 212–215.
  • Rollings, Andrew und Adams, Ernest: Andrew Rollings and Ernest Adams on Game Design. Indianapolis: New Riders, 2003.
  • Schmidt, David Nikolas: Zwischen Simulation und Narration: Theorie des Fantasy-Rollenspiels; mit einer Analyse der Spielsysteme Das Schwarze Auge, Shadowrun und H. P. Lovecraft’s Cthulhu. Frankfurt, M.: Peter Lang, 2012.
  • Waggoner, Zach: My Avatar, my Self: Identity in Video Role-Playing Games. Jefferson, N.C.: McFarland, 2009.
  • Weiss, Bastian: Let`s (not) Play. Wie Games noch als Video faszinieren. Hamburg: Bachelor & Master Publishing, 2014.

Internetquellen

Abbildungsverzeichnis

  • Abb. 1: Die gesammelten Plaketten (unten rechts) erhöhen in NBA2k17, die hier in Gelb angezeigten Statuswerte (NBA2k17 2016). Screenshot von Romeo Arquint, 2017.
  • Abb. 2 und 3: Die Ausrüstungsmenus für die Spielausrüstung in NBA-Matches in NBA2k17 (links) und NBA2k12 (rechts, NBA2k17 2016 und NBA2k12 2011). Aufnahme/Screenshot von Romeo Arquint, 2017.
  • Abb. 4: Das virtuelle Zuhause des Avatars in NBA2k17 eine zu grosse Garage mit Basketballplatz (NBA2k17 2016). Screenshot von Romeo Arquint, 2017.
  • Abb. 5+6: Zwei Beispiele der Third-Person Perspektive in einem NBA-Match im My Player/ Career-Modus von NBA2k17 und NBA2k12 (NBA2k17 2016 und NBA2k12 2011). Screenshot von Romeo Arquint, 2016.
  • Abb. 7: Die Auswahl der  männlichen Archetypen in NBA Street V3. Man beachte die Auswahlmöglichkeit Wunderkind (NBA Street V3 2005). Aufnahme von Romeo Arquint, 2017.
  • Abb. 8: Das Trickbuch in NBA Street V3, wo Spielzüge unterschiedlichster Art freigeschaltet werden können (NBA Street V3 2005). Aufnahme von Romeo Arquint, 2017.
  • Abb. 9: Die Wahl der Archetypen in Fifa12 (Fifa12 2011). Aufnahme von Romeo Arquint, 2017.
  • Abb. 10: Die Charaktererstellung in Fifa06 (Fifa06 2005). Aufnahme von Romeo Arquint, 2017.
  • Abb. 11: Die Charaktererstellung in Fifa12 (Fifa12 2011). Aufnahme von Romeo Arquint, 2017.
  • Abb. 12: Das Auswahlmenu für die Verbesserung des Team-Personals in Fifa06 (Fifa06 2005). Aufnahme von Romeo Arquint, 2017.

 

[1] Manson 2016.

 

[2] Der Genrebegriff ist gerade bei Games vorsichtig zu verwenden (siehe dazu Beil 2015).

 

[3] Vgl. Beil 2015, 46–47.

 

[4] George 2016.

 

[5] Kaiser 2013, 4.

 

[6] Müller 2003, 212.

 

[7] Ebd., 214.

 

[8] Beil 2015, 30.

 

[9] Beil 2015, 46–47.

 

[10] Kocher 2007, 86–87.

 

[11] Fernández-Vara 2014.

 

[12] Vgl. Lischka 2005.

 

[13] Vgl. Fernández-Vara 2014.

 

[14] Vgl. Rollings und  Adams 2003.

 

[15] An dieser Stelle sei auf den Beitrag von Maurizio Frei in diesem Band verweisen, der sich in seiner Betrachtung von Walking Simulators dieser Komplexität von Computerspielgenres zwischen Spielmechanik und thematischer bzw. atmosphärischer Verortung annähert.

 

[16] Kocher 2007, 100–101.

 

[17] Ebd., 92.

 

[18] Ebd., 92. Siehe auch Fernández-Vara 2014.

 

[19] Burn 2014, 242.

 

[20] Schmidt 2012, 29.

 

[21] Ebd., 31–33.

 

[22] Burn 2014, 244.

 

[23] Kocher 2007, 203.

 

[24] Vgl. Burn 2014, 245 und Kocher 2007, 207.

 

[25] Vgl. Neitzel 2012, zit. nach Weiss 2014, 14 sowie Bareither 2016.

 

[26] Ryan 2001, zit. nach Kocher 2007, 213.

 

[27] Kocher 2007, 218.

 

[28] Ebd., 208.

 

[29] Waggoner 2009, 8.

 

[30] Wilson 2003, zit. nach Waggoner 2009, 9.

 

[31] Waggoner 2009, 9.

 

[32] Felsmann 2011, 14–15.

 

[33] Bareither 2016.

 

[34] Ebd., 323–24.

 

[35] Consalvo 2012, 411.

 

[36] Ebd., 407–410.

 

[37] Kocher 2007, 208.

 

[38] Ebd., 101.

 

[39] Ebd., 213–14.

 

[40] Gee 2004, zit. nach Waggoner 2009, 42.

 

[41] Vgl. Kocher 2007, 188.

 

[42] Vgl. Beil 2013.

 

[43] Kocher 2007, 22.

 

[44] Vgl. Venus 2012.

 

[45] Ebd., 123–124.

 

[46] Der Draft (korrekterweise Entry Draft) bezeichnet in den amerikanischen Profisportligen die Auswahlrunde vor jeder neuen Saison, in der die besten Nachwuchstalente von den Mannschaften in einer festgelegten Reihenfolge ausgewählt werden.

 

[47] Vgl. Thomas 2016.

 

[48] Bei den ausgewählten Beispielen gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine weiblichen Fussball-Teams, also auch keine weiblichen Avatare.

 

[49] Vgl. Kocher 2007, 216.

 

[50] Manson 2016.